Welche Anlageweisheiten gelten noch nach 2022?


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Viele Anlageweisheiten galten jahrelang als selbstverständlich, doch nach einem schwarzen Jahr wie 2022 ist es an der Zeit, beliebte Anlagestrategien auf den Prüfstand zu stellen.

Nach einer langen Kursrallye kam im vergangenen Jahr der Absturz: 2022 wurde zum annus horribilis – gerade als die Weltwirtschaft nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen schien. Nach den staatlichen Pandemie-Hilfsprogrammen war eine gewisse Inflation unvermeidlich, doch der russische Angriff auf die Ukraine ließ die Preise explodieren und versetzte die Aktien- und Anleihemärkte in Aufruhr. Energie und Lebensmittel verteuerten sich in rasantem Tempo und zwangen die Zentralbanken zu schnelleren Zinserhöhungen, für Anleger gab es keine sicheren Häfen mehr.

Natürlich muss man als Anleger im Laufe der Zeit lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Ob uns dies gelingt, kann unsere langfristigen Anlageergebnisse mitunter entscheidend beeinflussen. Wer zum Beispiel sein Erspartes nach einem schwachen Jahr auf ein kaum verzinstes Konto einzahlt, lässt sich womöglich viele gute Jahre mit hohen Aktienrenditen entgehen. Natürlich stimmt die alte Weisheit, dass jede Anlage mit Risiken behaftet ist. Doch müssen Sie die Balance zwischen Risiken und Gewinnpotenzial finden, die Sie für sich als richtig empfinden. Welches die richtige Balance ist, hängt dabei von vielen Faktoren ab, etwa Ihrer Lebensphase, dem Umfang Ihres Portfolios sowie Ihren persönlichen Grenzen – insbesondere in Bezug auf Risiken abseits des vertrauten Sparkontos. 

Nach einem schwierigen Jahr erscheint uns der Zeitpunkt gekommen, altgediente Anlageweisheiten einmal auf Herz und Nieren zu prüfen und herauszufinden, ob Anleger sich auch in Zukunft auf sie verlassen sollten.



1. „Mit einem 60/40-Portfolio liegt man niemals falsch“

Mischportfolios, die zu 60% aus Aktien und zu 40% aus Anleihen bestehen, gehören seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Anlageformen, weil sie das Wachstumspotenzial von Aktien mit der Sicherheit vergleichsweise risikoarmer Anleihen kombinieren. Und tatsächlich lagen Anleger mit einem Mischportfolio meist richtig: Wie eine aktuelle Analyse zeigt, konnten sie mit der 60/40-Methode in 35 der letzten 42 Jahre positive Renditen erzielen.1 2022 gehörte jedoch nicht zu diesen Jahren. Einige glauben sogar, es sei das schlechteste Jahr seit einem Jahrhundert gewesen. Weil Anleger aufgrund steigender Inflation und höherer Zinsen eine globale Rezession befürchten, fielen die Kurse an den Aktien- und Anleihemärkten im Gleichschritt. Ist das Mischportfolio also überholt?

Die Erfolgsbilanz der 60/40-Strategie sowie die schwierigen und höchst ungewöhnlichen Umstände des vergangenen Jahres, die für die schwachen Ergebnisse verantwortlich waren, sprechen dagegen. Aus unserer Sicht gibt es gute Gründe, an einem Mischportfolio festzuhalten – wenn auch in einer etwas abgewandelten Form. Zum Beispiel könnten Sie einen Teil der 60%, also Ihres Aktienportfolios, in sogenannte Qualitätsaktien oder Aktien mit hohen Dividendenausschüttungen umschichten, um Verlustrisiken zu begrenzen. Oder Sie investieren in weniger schwankungsanfällige Sektoren, zum Beispiel Lebensmittel- und Getränkehersteller oder Versorger, also Unternehmen, die Dinge des täglichen Bedarfs produzieren. Im Gegenzug könnten Sie Ihre Vermögensaufteilung auf andere Branchen, wie dem IT-Sektor, reduzieren, in dem sich die Bewertungen eher an Gewinnwachstumsprognosen orientieren.


2. Anleihen sind zurück

Auf der Anleiheseite sind insbesondere kurzfristige Anleihen wieder in unseren Fokus gerückt. Sie können dazu beitragen, Anlageportfolios in einer Zeit sich verschärfender Finanzierungsbedingungen und Kreditvergabestandards in der Wirtschaft eine gewisse Stabilität zu verleihen. Andererseits könnten Anlagestrategien, die dem Schutz vor Inflation dienen, sowie hochwertige Unternehmensanleihen aus Industrie- und Schwellenländern die Chance auf Renditen erhöhen. 


3. „Langfristig sind Value-Aktien gegenüber Wachstumsaktien im Vorteil“

Nicht wenige sahen Value-Strategien bereits am Ende, bis sie 2022 eines Besseren belehrt wurden. In der Ära des billigen Geldes und der ultraniedrigen Zinsen standen die Zeichen auf Wachstum – Wachstumsunternehmen beherrschten daher den Markt. In der Hoffnung auf immer weiter steigende Gewinne stürzten sich Anleger auf die vergleichsweise teuren Wachstumsaktien. Doch seitdem die Zinsen steigen, lassen sich die teils himmelhohen Bewertungen nicht mehr rechtfertigen. Daher liegt „Value Investing“ wieder im Trend. 

Value-Strategien investieren in der Regel in unterbewertete, aber etablierte Unternehmen mit stabilem Ertragswachstum und oft hohen Dividendenausschüttungen. Bei Value-Aktien ist Geduld gefragt. Manchmal fallen sie in Ungnade, weil Anleger an anderer Stelle höheres Wachstum vermuten. Manchmal dauern ihre Schwächephasen auch länger an, bis Anleger irgendwann die Attraktivität günstig bewerteter, rentabler und robuster Unternehmen neu für sich entdecken. „Value“ findet man heute in zahlreichen Branchen, vor allem in solchen, die in dem aktuellen Marktumfeld besser bestehen können, darunter Energieunternehmen, Finanzinstitute und Versorger. Angesichts des nachlassenden Wirtschafts-wachstums achten wir hierbei vor allem auf Qualitätsaktien von Unternehmen mit stabilen Gewinnspannen. 

Wer in Value-Aktien investieren möchte, die nötigen Analysen aber den Profis überlassen will, hat heute die Wahl zwischen zahlreichen Value-ETFs, sowohl für die globalen Aktienmärkte als auch für einzelne Länder.


4. Schwellenländer als wichtige Säule

Angesichts des nachlassenden Wirtschafts-wachstums in Industrieländern sehen wir robuste Aussichten für Schwellenländer. Letztere zeichnen sich durch einen starken Binnenkonsum bei gleichzeitigem Exportpotenzial aus. Darüber hinaus unterstreichen attraktive Bewertungen und ein sich verbesserndes Ertragsprofil die Bedeutung von Schwellenländern in einem Anlageportfolio.

Allerdings sind Schwellenländer auch stark fragmentiert, weshalb mittelfristig Länder wie China und Indien in unserem Fokus liegen. China sollte weiterhin von seiner wirtschaftlichen Wiedereröffnung zu einer Zeit profitieren, in der das Wachstum der Industrieländer Schwierigkeiten hat, Schritt zu halten. Während die aktuellen Bewertungen in Indien ein Problem sein könnten, bietet das Land angesichts seiner riesigen Mittelschicht ein enormes Potenzial. Infolgedessen können Schwellenländeraktien Gelegenheiten für allerdings sind Schwellenländer auch stark fragmentiert, weshalb mittelfristig Länder wie China und Indien in unserem Fokus liegen. China sollte weiterhin von seiner wirtschaftlichen Wiedereröffnung zu einer Zeit profitieren, in der das Wachstum der Industrieländer Schwierigkeiten hat, Schritt zu halten. Während die aktuellen Bewertungen in Indien ein Problem sein könnten, bietet das Land angesichts seiner riesigen Mittelschicht ein enormes Potenzial. Infolgedessen können Schwellenländeraktien Gelegenheiten für Anleger bieten und zur Streuung von Risiken in einem Portfolio beitragen.


5. „Gold schützt vor Inflation“

Viele Anleger betrachten Gold als Mittel zur Wertaufbewahrung für schwierige Zeiten und als Schutz gegen Inflation. In besonders schwankungsreichen Marktphasen zieht das „gelbe Metall“ Anleger an – vor allem wenn die Inflation steigt und Zinsanhebungen erst noch folgen müssen. Dadurch erklärt sich unter anderem auch die gute Wertentwicklung von Gold im ersten Quartal 2022 und die uneinheitliche Entwicklung seither.

Doch auch andere Faktoren spielen bei der Investition in Gold eine Rolle, insbesondere nach dem Ende des billigen Geldes. Zum Beispiel wirft Gold anders als viele andere Vermögenswerte keinerlei Erträge ab. Sein Status als sicherer Hafen mag attraktiv sein, wenn die Anleihezinsen an oder sogar unter der Nullgrenze liegen. Doch wenn Anleihen oder Sparkonten auch nur 2 bis 4% abwerfen, entgehen Goldanlegern gute Renditen. Hinzu kommt das Währungsrisiko: Gold verdankt seine Wertstabilität vor allem dem starken US-Dollar2. Ob die amerikanische Währung auch 2023 fest bleiben wird, ist keineswegs sicher. In diesem Jahr erwarten unsere Experten einen schwächeren Dollar aufgrund des nachlassenden Wirtschaftswachstums in den USA und nachlassender Zinserhöhungen durch die US-Notenbank. Diese beiden Faktoren, gepaart mit dem Stresspotenzial, das von der Finanzstabilität und den Risiken des Wirtschaftswachstums ausgeht, sollten eine positive Entwicklung des Goldpreises unterstützen. Damit könnte Gold zur Wertstabilität und zur Streuung von Risiken in einem Portfolio beitragen.


​​​​​​​Bewährte Anlagestrategien haben weiter Gültigkeit

Selbst nach einem Jahr wie 2022 steckt noch immer viel Weisheit in alten Anlageprinzipien – auch wenn sie vielleicht etwas Feinschliff benötigen, um auch weiterhin Bestand zu haben. In der Vergangenheit haben Anleger zu oft schlechte Entscheidungen getroffen, weil sie glaubten, „dieses Mal ist es anders“. Doch ob es uns gefällt oder nicht: Anlagestrategien, die sich über Jahre bewährt haben, gelten noch immer. Glücklicherweise gibt es heute einige innovative Anlageprodukte, mit denen Anleger – die richtige Anwendung vorausgesetzt – bewährte Anlageprinzipien in einem schnelllebigen Marktumfeld umsetzen können.​​​​​​​

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1. Quelle: www.cnbc.com/2022/11/02/op-ed-dont-reject-the-60/40-portfolio-embrace-it.html
2. Quelle: World Gold Council  Gold Market Commentary 2022, 9. Januar 2023.

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